Der Eindruck, der sich mir immer wieder als Erstes bei der Betrachtung der Bilder von
Andrea Köhn vermittelt, ist der einer hellen, warmen und leuchtenden Farbigkeit, die eine
gewisse Eigendynamik entfaltet innerhalb der organisch-konstruktiven Kompositionen.
Im malerischen Prozess entstehen fast beweglich und veränderlich erscheinende Formen,
die durch ihre farbliche Gestaltung eine nahezu lebendige Beweglichkeit entwickeln.
 
Fast unnötig zu erwähnen, dass Köhns Bilder schwerlich auf einen Blick zu erfassen
sind – das sollte im Grunde für jedes Kunstwerk gelten -, dennoch: Die Konzentration
auf ihre Kompositionen führt zunächst über die Farbe wortwörtlich oberflächlich in die
Struktur der Arbeiten hinein, dann aber ist es eine Frage der jeweiligen individuellen
Wahrnehmung, inwieweit das Auge die Dynamik und den Rhythmus von Farbe und
Form nachvollzieht. Durch bewusst gesetzte Kontraste und Harmonien, durch mal
monochrome dann wieder changierend verlaufende wie auch lasierende Flächen,
zuweilen wieder durch teilweise herausgekratzte Lineaturen akzentuiert voneinander
abgegrenzt, entstehen malerische Bildräume und -tiefen, die Illusion von Lichtquellen
oder gar -fenstern, die Betrachter oder Betrachterin aber niemals in einer „realistischen“
oder greifbaren Räumlichkeit verorten, vielmehr dazu anregen, sich rein visuell durch
das Bild zu bewegen. Selten gibt es einen klaren Einstieg ins Bild, ein Rechts, Links,
Oben oder Unten. Im Gegenteil, sie strahlen, wie eben schon erwähnt, Veränderlichkeit
aus, scheinen sich auch nicht unbedingt an die konkreten Grenzen des Bildgrundes, des
Leinwandrahmens zu halten, sondern sich ausdehnen zu wollen.
 

Andrea Köhn arbeitet häufig seriell, womit ich nicht unbedingt mehrteilig in dem Sinne
meine, das jedes Einzelbild unabdingbarer und abhängiger Teil vom Ganzen ist.
Mir scheint, es geht eher darum, eine bestimmte Bildidee – eine Farbe, Form, einen
kompositorischen Rhythmus – wieder aufzugreifen und im nächsten Bild weiterzuführen,
neu zu bearbeiten, zu entwickeln und zu variieren.
 

Der Begriff der Improvisation trifft diese Arbeitsweise nur unzulänglich, klingt zu spielerisch
und verweist unbeabsichtigt auf die Definition Kandinskys, der schon allzu häufig bemüht
wurde. Andrea Köhn spricht selbst vom Konstruieren ihrer Bilder, vom Bauen, und damit ist
gerade nicht die erste, intuitiv gespachtelte Schicht ihrer Gemälde gemeint, die die Basis
etlicher ihrer Kompositionen bildet. Sie verdeutlicht mit den Begriffen vielmehr den
hochkonzentrierten Prozess, aus dem Material Farbe, deren optischer Erscheinung und der
Verbindung mit Fläche und Form das zu schaffen, was irgendwann ein fertiges Bild ist. (...)
Tanja Kemmer
Kunsthistorikerin, Schirn Frankfurt